Fr, 6.5.2016

Panama Papers

US-Firmen oder US-Bürger tauchen in den Panama-Papers – jenem Datensatz, der die Offshore-Geschäfte von Konzernen und Reichen offenlegt wie nie zuvor – bisher nicht prominent auf. Laut „New York Times“ liegt der Grund darin, dass es ähnliche Möglichkeiten in den USA gibt. Rechtsexperten legen nach: Einzelne US-Bundesstaaten seien echte Steueroasen.

Der internationale Kampf gegen Steuerhinterziehung läuft auch dank der Panama-Papers-Recherche des Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ), an dem in Österreich der ORF und der „Falter“ beteiligt sind, immer schneller. Ab nächstem Jahr tauschen hundert Staaten der Welt Informationen über Konten aus – aber ein großes Land ist nicht dabei: die USA. Letztlich seien dadurch die USA oder zumindest einige ihrer Bundesstaaten, etwa Delaware, die letzten echten Steueroasen, sagte etwa Niklas Schmidt, Partner der Anwaltskanzlei Wolf Theiss.

Einseitige Auskunftspflichten

Die USA haben 2010 mit dem Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) alle anderen Staaten gezwungen, ihnen Informationen über US-Bürger zu geben, ohne dass die US-Banken umgekehrt vergleichbaren Informationspflichten unterliegen. Deshalb übernehmen die USA auch nicht die wechselseitigen Informationspflichten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Zugleich kann man etwa in Delaware leicht eine Kapitalgesellschaft gründen – solange diese keine Tätigkeit in den USA ausübt, hat sie dort keine Steuerpflicht. Auch für natürliche Personen gebe es „Gestaltungsmöglichkeiten“, so Schmidt in einem gemeinsamen Pressegespräch mit Christian Hoenig, Clemens Trauttenberg und Christian Mikosch, alle Partner der Anwaltskanzlei Wolf Theiss.

„Dann machen wir das halt“

In Wahrheit hätten die USA mit Gewalt ihr Rechtssystem den anderen aufgezwungen – die „dummen Europäer haben gesagt, dann machen wir das halt“, und nun hätten die USA einen Wettbewerbsvorteil für Steuerhinterzieher, so Schmidt, der aber zuversichtlich ist, „dass auch die USA aufwachen“ und die Lage ändern werden.

Für Österreich werde die neue Situation wohl Nachteile bringen, erwartet Hoenig, denn Österreich habe bisher darauf gesetzt, durch Maßnahmen wie Bankgeheimnis, niedrige Körperschaftssteuer, Abschaffung der Erbschaftssteuer und Stiftungen Holdings ins Land zu bringen. Diese Vorteile verschwänden künftig, Geld werde wohl „eher abfließen“.

Für Transparenz statt Verbot

„Geld und Vermögensangelegenheiten geheim zu halten ist grundsätzlich erlaubt“, sagt Hoenig und plädierte gegen Verbote für Briefkastenfirmen. Zugleich räumte er ein, dass der überwiegende Teil der Gelder dort „auch aus Steuerspargründen“ geparkt wird. Mit einem Zwang zu Transparenz könnte man dieses Dilemma auflösen, meint er.

Neue Welt binnen weniger Jahre

Zu dieser Transparenz wird wohl das OECD-Abkommen über den automatischen Datenaustausch beitragen. Damit habe man heute „eine ganz andere Welt als vor zehn Jahren“, als kaum eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit denkbar war, so Mikosch. Mit den Beschlüssen zum Informationsaustausch hätten viele Steuerpflichtige „gesehen: Das, was ich bisher gemacht habe, fliegt irgendwann auf. Wir müssen in die Legalität zurück.“

Banken und Beratern empfiehlt Mikosch, übertrieben komplizierte Zahlungsmodalitäten abzulehnen: „Es gibt keine Verpflichtung, dem Verkäufer beim Steuersparen zu helfen.“ Trauttenberg ergänzt: Reputations- und Beraterkosten seien wohl kaum durch Gebühren und Zinsen zu verdienen. Aber die Banken seien ohnehin schon sehr vorsichtig geworden.

„Wird ein Wahnsinnschaos“

Wobei die Anwälte den Nutzen des Informationsaustausches zumindest kurzfristig eher skeptisch beurteilen. „Es wird ein Wahnsinnschaos geben“, so Schmidt. Denn es würden „irre Datenmengen durch den Raum geistern“. Es sei nicht klar, was passiert, wenn diese Daten dann ankommen. Die meisten Finanzverwaltungen würden wohl nicht in der Lage sein, diese Informationen mit den üblichen Steuerdaten zu vernetzen.

Man dürfe nicht vergessen, dass es unterschiedliche Währungen, verschiedene Schreibweisen von Namen, insbesondere nach einer Transkription aus anderen Schriften, gebe. Eine einheitliche Steuernummer gebe es auch nicht. „Alle Behörden werden mehr Daten haben, damit müssen sie erst lernen umzugehen“, so Schmidt.

Von Delaware bis Puerto Rico

Delaware gilt als wichtigster Steuervermeidungshafen für große US- wie internationale börsennotierte Konzerne. Die Bundesstaaten Nevada, Wyoming, Alaska, Puerto Rico und die Amerikanischen Jungferninseln gelten dagegen als Steuerparadies für kleinere, nicht börsennotierte Unternehmen. Die US-weiten Steuern fallen zwar überall an, doch die zusätzlichen Steuern entfallen etwa in Delaware praktisch völlig. Viele ausländische Großkonzerne haben daher dort nominell ihren US-amerikanischen Sitz, selbst wenn ihre eigentlich wichtigen Produktionsstandorte woanders liegen.

Puerto Rico wiederum wirbt aggressiv um reiche US-Bürger aus anderen Bundesstaaten und bietet diesen weitgehende Steuervergünstigungen. Die steuerliche Sonderstellung Puerto Ricos ermöglicht etwa Hedgefonds-Managern damit Millioneneinsparungen von Steuern, ohne deshalb ihre US-Staatsbürgerschaft aufgeben zu müssen.

Quelle: ORF – Online News (9.4.2016)